Trip Report

PM Forum / PMO Tag 2016 in Nürnberg

Unter dem Motto „Zusammen wachsen. Ideen verbinden. Projekterfolge gestalten.“ veranstaltete die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. (https://www.gpm-ipma.de) vom 17.10.2016 bis 19.10.2016 in Nürnberg das PM Forum 2016 mit dem vorgelagerten PMO Tag (https://www.pm-forum.de). Mit rund 950 Besuchern, 4 Keynotes, 100 Referenten mit 62 Fachvorträgen in 12 Themen-Streams ist diese Veranstaltung eine der zentralen Plattformen für Projektmanagement im deutschen Raum. 

 

Zu Beginn zeigte Martin Hoffmann, Intendant der Berliner Philharmoniker (https://www.berliner-philharmoniker.de), in der erste Keynote der Veranstaltung, dass sich auch ein traditionsreiches, weltbekanntes Orchester nicht neuen Trends und Technologien gegenüber verschließen kann. Die Philharmoniker bietet seit 2009 über die „Digital Concert Hall“ herausragenden Musikgenuss online - ohne den Besuch einer Konzerthalle. 

Martin Hoffmann schilderte eindrucksvoll den langen Weg dorthin, eingesäumt von den Bedenken einzelner Orchestermitglieder, der Suche nach dem optimalen inhaltlichen und preislichen Angebot, mit dem verschiedene Zielgruppen erreicht werden sollen und dem Exzellenz-Anspruch des Orchesters, den es galt in die digitalen Medien ohne Klangeinbußen zu übertragen. So mancher der anwesenden Projektmanager hat sich dabei gefragt, wie diese Aufgabe angesichts der Selbstorganisation und Selbstbestimmung des gesamten Orchesters erfolgreich umgesetzt werden konnte.

Frisch gestärkt nach diesem Kulturgenuß verteilten sich die Teilnehmer in die 12 verschiedenen Streams. Dort spiegelten sich nicht nur die klassischen Projektmanagementthemen wie strategische Projektmanagement / Projektportfoliomanagement, PM-Trends, Ressourcen- oder Stakeholdermanagement wider. Im Stream „Digitale Transformation und Industrie 4.0“ widmeten sich Referenten aktuellen Veränderungen in unserer Gesellschaft. Der zentrale, über beide Tage durchgängige Stream beschäftigte sich mit Agilität in Projekten, agilen Methoden und dem Weg hin zur Agilität.

In Praxisberichten von Firmen wie adidas, DATEV, Hotel.de, Huf Hülsbeck & First, Lufthansa Industry Solutions, MAN, Osram, Projektron, Trumpf schilderten die Referenten ihre Erfahrungen, die erlebten Fallstricke und Lessons Learned mit agilen Methoden. Es ging um Fragen wie: Wie starten wir in die Agilität? Muss es immer agil sein? Was benötigen Mitarbeiter und Führungskräfte für diese Transformation? Muss / soll das gesamte Unternehmen sofort und ausschließlich agil arbeiten? Wie funktioniert Agilität im Zusammenspiel mit klassischen Projektansätzen?

Manche Unternehmen nähern sich schrittweise agilen Methoden an. Sie verwenden hybride Ansätze. Im Juli 2011 hat Dave West in „Water-Scrum-Fall Is The Reality of Agile For Most Organizations Today“ beschrieben, dass Agilität sich zwar großer Beliebheit erfreut, aber die Realität in den meisten Unternehmen ein „Water-Scrum-Fall“ ist. Die Realisierung geschieht mittels Scrum, während Planung und Auslieferung im klassischen Wasserfallmodell ablaufen. Diese Realität ist nach der Studie „Status Quo Agile 2014“ von Prof. Dr. Ayelt Komus (www.komus.de) der Hochschule Koblenz allerdings weniger erfolgreich als durchgängig agile Ansätze. Bei den vortragenden Referenten wurden aber deutlich, dass ein hybrider Ansatz in der Organisation häufig leichter vermittelbar und daher umsetzbar ist. 

Andere Unternehmen arbeiten in einigen Bereichen mit agilen Teams, während die anderen Bereichen weiterhin klassisch unterwegs sind. Diesen bimodalen Ansatz bezeichnet Prof. Dr. Ayel Komus in seinem Vortrag  „Bimodales Projektportfoliomanagement“ als einen Weg der zwei Geschwindigkeiten. Was auf den ersten Blick wie eine geniale Lösung aussieht, birgt die Gefahr, dass das klassische PM zur Bad Bank der Organisation wird. Eine Spaltung der Organisation wäre die Folge. Die Perspektive ist die adaptive Organisation. Sie verwendet differenzierte Projektmanagement-Ansätze abhängig von der Aufgabenstellung und dem Stand der Organisation.

Dieser Tenor kam übereinstimmend auch aus den Praxisbeiträgen der „agilen“ Referenten. Eine ausschließliche Konzentration auf agile Methoden nur aus dem Zweck oder besser der Popularität heraus wird nicht als der richtige Ansatz gesehen. Vielmehr müsse jedes Projekt, das Unternehmen und die zur Verfügung stehenden Mitarbeiter betrachtet und der dazu passende PM-Ansatz gewählt werden.

Der Umstieg auf agile Methoden ist nicht einfach und sehr zeitaufwendig. Es muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Teams müssen in Agilität ausgebildet werden. Das Management muss Agilität verstehen, leben und vor allem unterstützen! Die Organisation durchläuft einen intensiven Veränderungsprozess. Michael Zwick (http://www.bluechange.de) hat in seinem Vortrag „Veränderungsmanagement verstehen“ mit dem Vergleich zu den Assimilierungsversuchen der Borg in der bekannten Star Trek-Reihe sehr anschaulich demonstriert, wie Change Management fehlschlägt und warum es wichtig ist, jeden einzelnen Menschen auf dem Weg der Veränderung mitzunehmen. Nach der Matrix von Dr. Mary Lippitt (http://enterprisemgt.com) setzt sich erfolgreiches Change Management zusammen aus Vision + Fähigkeiten + Anreiz + Ressourcen + Plan. Nur wenn der einzelne versteht, was sein Nutzen durch das Neue ist, wird er/sie bereit sein, diesen Weg mitzugehen.

Die spannenden Vorträge der Projektmanager wurden an beiden Veranstaltungstagen des PM Forums von hochkarätigen Keynotes eingerahmt. Die unterhaltsame, aber doch nachdenklich machende Keynote des Psychiaters und Bestsellerautors Dr. Manfred Lütz zu „Wie Sie unvermeidlich glücklich werden“ (http://www.blog.gtvh.de/manfred-luetz/) ließ die Definition von Erfolg in einem anderen Licht erscheinen. Seiner Ansicht nach lassen sich die wichtigsten Dinge im Leben wie Glück, Vertrauen, Liebe nicht definieren. Man erlebt sie einfach und muss sich nur darauf besinnen.

  

Die sportliche Keynote von Dagur Sigurdsson, dem Trainer der Handball-Nationalmannschaft, war nicht weniger humorvoll. In eindrucksvollen Bildern beschrieb er seinen unkonventionellen Weg als Trainer, um aus der im August 2014 übernommenen, in tiefer Krise steckenden, deutschen Handball-Nationalmannschaft den Europameister 2016 und den Gewinner der Bronze-Medaille bei Olympia 2016 zu machen. Talent und Erfahrung der Spieler sind wichtig für sportliche Erfolge. Aber entscheidend war es, die Rahmenbedingungen für das Team zu verändern, den Umgang mit Niederlagen meistern zu lernen und den Teamgeist des gesamten Teams zu stärken.

  

Vom Blogger, Autor und Internetexperte Sascha Lobo (http://saschalobo.com) lernten die Zuhörer in der Keynote „Die wunderbare, lästige Pflicht zur Digitalen Transformation“ in eindrucksvoller Weise, dass die Digitale Transformation nicht nur vor der Tür steht, sondern schon im vollen Gang ist. Aber es sind nicht die Technologien, die die Welt verändern, sondern die Art und Weise, wie Menschen sie nutzen. 

 

 

Wir alle brauchen den Mut und die Bereitschaft, Veränderungen nicht nur zuzulassen, sondern aktiv so zu gestalten, dass wir selbst unsere Rahmenbedingungen für die neue digitale Welt setzen. Dies erfordert einen Wandel. Sascha Lobo bemerkte sehr trefflich, dass sich unsere Projekte verändern werden, hin zu Experimenten, die schneller, agiler angegangen werden und eine Fehlerkultur, eine „Kultur des Scheiterns“ nicht nur tolerieren, sondern bedingen. Nur so sind die zielführenden Ansätze aus der Masse der Alternativen in kurzer Zeit herauszufiltern und weiterzuentwickeln.